Wir bauen ein Haus in Griechenland Wir bauen ein Haus in Griechenland
Josef Peneder
Wir   saßen   also   vor   unserer   illegalen   Holzhütte   im   Schatten   und   schwitzten. Ende   Juli   ist   es   ziemlich   heiß,   und   es   war   nur   ein   schwacher   Trost,   dass   es auf den südlichen Inseln und am Festland sicher noch heißer war. Neben   uns   plätscherte   das   kühle   Quellwasser   durchs Aflaki,   eine   betonierte Bewässerungsrinne,   gerade   so   breit,   dass   man   eine   Bierkiste   hineinstellen konnte. Das   Wasser   erreichte   etwa   16,   17°C,   man   musste   das   Bier   also   schnell trinken. Blöd   war   nur,   dass   wir   gerne   auch   Milch,   Wurst,   Käse,   Eier,   Butter,   Oliven, Grillsaucen,     Gemüse,     Salate,     Aufstriche,     Kompotte     und     Eiscreme eingekühlt   hätten.   Einen   Kühlschrank   hatten   wir   schon   in   der   Hütte   stehen, ein   Stromgenerator   hatte   sich   als   zu   laut   und   zu   teuer   erwiesen   und   zu schwach   für   die   Waschmaschine,   die   unter   dem   Feigenbaum   stand.   Und direkt über unseren Köpfen verlief die öffentliche Stromleitung. Eine    zeitlang    hatten    wir    den    Strom    von    unserer    netten    Späthippie- Nachbarin    Mary    abgezapft,    doch    war    sie    Untermieterin    von    unserem streitbaren    Grundverkäufer    Barba    Lefteri,    und    dieser    zürnte    uns    seit
Über   Vermittlung   unseres   Schnitzelwirtes   Janni   konnten   wir   endlich   den schon       früher       erwähnten       Wahlstuttgarter       Nachbargrundbesitzer kontaktieren,   dessen   positivste   Eigenschaft   in   regelmäßigen   Intervallen auftretende finanzielle Engpässe  darstellte, und er war auch gleich bereit, uns sein Grundstück zu v erkaufen. Wieder   kam   der   Vermesser   mit   seinem   Gehilfen,   wieder   handelten   wir einen   zu   hohen   Preis   aus,   und   wieder   stellte   sich   heraus,   dass   noch   eine Kleinigkeit   zu   regeln   war:   Unser   Mann   hatte   das   Grundstück   von   acht verschiedenen       Onkeln,       Tanten       und       sonstigen       Anverwandten zusammengekauft   bzw.   geerbt,   von   denen   sieben   brav   den   Vertrag   beim Notar   unterschrieben   hatten.   Ein   Onkel   aus   Alexandroupolis   allerdings hatte     das     nicht     getan     und     zudem     noch     die     Stirn,     vor     diesem Behördengang    zu    versterben;    seine    beiden    Töchter    und    Erbinnen müssten   also   nun   diese   Unterschrift   leisten,   was   im   Falle   der   einen,   wie ein    Anruf    von    unserem    hilfreichen    Schnitzelwirt    ergab,    kein    Problem darstellte,   im   Falle   der   anderen   aber   schon,   da   diese   weit   weg   wohnte und   zudem   krank,   ja   bettlägrig   sei   und   keinesfalls   einen   Notar   aufsuchen könne. Wieder    neigten    sich    die    Ferien    dem    Ende    zu,    wieder    saßen    wir    in Notariaten    herum,    wieder    hieß    es,    das    und    jenes    fehle    noch,    und schließlich   beschritten   wir   wieder   die   altvertraute   Lösung:   Wir   gaben   dem Schnitzelwirt   unser   Geld   sowie   eine   Vollmacht,   für   uns   den   Grund   zu erwerben.   Da   auch   der   Verkäufer   wieder   nach   Stuttgart   wollte,   vermutlich um   rasch   seinen   neuen   Reichtum   zu   investieren,   stellte   auch   er   dem Schnitzelwirt    eine    Vollmacht    aus,    sodass    dieser    nun    als    Käufer    und Verkäufer   zugleich   auftreten   konnte.   Im   Laufe   des   Herbstes   war   dann alles   unter   Dach   und   Fach,   der   Schnitzelwirt   konnte   auch   die   kränkliche Schwester   zu   einer   Unterschrift   nötigen,   und   einem   Ansuchen   für   eine Baugenehmigung standen nur noch finanzielle Überlegungen entgegen.
kurzem,    da    er    der    Meinung    war,    wir    hätten    ihm    ein    Stück    Plastikrohr entwendet,     das     er     selbst     zuvor     eigenhändig     aus     der     öffentlichen Wasserversorgungsanlage,   wir   wollen   nicht   sagen   gestohlen,   entnommen hatte. Da    wir    uns    keiner    Schuld    bewusst    waren    und    Barba    Lefteris    die Eigentumsrechte    an    dem    Diebesgut    nicht    nachweisen    konnte,    riss    er lediglich   unseren   Stecker   aus   Marys   Keller,   fuhr   mit   seinem   alten   VW-Bus ein    paar    mal    drüber    und    behauptete    dann,    er    sei    beim    Vorbeifahren hängen   geblieben   und   überhaupt   sei   so   ein   Kabel   sträflicher   Leichtsinn und streng verboten. Am   nächsten   Tag   legten   wir   das   beanstandete   Rohr   vor   sein   Haus,   er freute   sich   wie   ein   kleines   Kind   und   meinte   sogleich,   wir   könnten   den Strom   wieder   haben   (Πάρ'   το   ρεύ'!).   Unseren   Hinweis   auf   die   Gefahren des    losen    Kabels    tat    er    mit    einer    verächtlichen,    fast    weltmännischen Gebärde ab. Wir aber beschlossen autark zu werden.
Teil 3: Wie man in Griechenland ein Haus baut Phase 1: Planung und Genehmigungen Vorgeschichte
Nun   gibt   es   in   Griechenland   ein   paar   sehr   einfache,   aber   listige   Gesetze sowie die dazugehörigen inoffiziellen Umgehungsmöglichkeiten. Gebaut   werden   darf   praktisch   überall,   wenn   das   Grundstück   mindestens   4 Stremata    (4000m 2 )    groß    ist.    Nur    an   Asphaltstraßen    und    im    Ortsgebiet gelten kleinere Maße. Stromanschluss   bekommt   man,   wenn   man   eine   gültige   Baugenehmigung vorweisen kann, und nur befristet auf allerhöchstens 4 Jahre. Erst   wenn   sämtliche   aus   dem   Bau   erwachsenen   Steuern   und   Gebühren abbezahlt   sind   und   das   Bauwerk   abgenommen   wurde,   das   heißt   meist nachgemessen,   ob   es   wohl   nicht   wie   durch   Zauberhand   etliche   Meter   an Länge und Breite zugelegt hat, dann erst erhält man den Strom für immer. Ist das Grundstück zu klein, gibt es Abhilfe. Man   kann   es   neu   vermessen   lassen,   dem   Vermesser   ein   Kuvert   (Fakelaki) zustecken      und   ihm   das   erwartete   Ergebnis   seiner   Bemühungen   (meist   4 Stremata)    mitteilen.    Er    wird    dann    versuchen,    durch    Einbeziehung    von brachliegenden    Randzonen    und    großzügige    Auslegung    der    erhaltenen Messresultate   zu   dem   gewünschten   Ergebnis   zu   kommen,   sofern   es   in einem verhältnismäßigen Rahmen liegt (etwa + 25%). Auf    diese    Weise    wäre    das    griechische    Staatsgebiet,    würde    man    die Summen   aller   Einzelgrundstücke   addieren,   um   ziemlich   genau   ein   Viertel größer als es die Atlanten ausweisen.
Die   zweite,   auf   Samothraki   sehr   geschätzte   Möglichkeit   besteht   darin, nicht   um   Baugenehmigung,   sondern   um   Genehmigung   zur   Renovierung eines   auf   dem   Grundstück   schon   vorhandenen   Gebäudes   anzusuchen. Diese   Methode   hat   den   unschätzbaren   Vorteil,   dass   die   Genehmigung sehr   billig   ist,   man   spart   ein   paar   tausend   Euro,   sodass   man   gleich   zu bauen beginnen kann. Hat   man   keine   hinreichende   Hausruine   auf   seinem   Grund   (offiziell   muss mindestens   noch   eine   Fensteröffnung   und   eine   Tür   erhalten   sein),   so   ist es    üblich,    eine    der    zahlreich    herumstehenden    Fremdruinen    von    allen Seiten   zu   fotografieren   und,   versehen   mit   den   entsprechenden   Lagedaten am eigenen Grund, einzureichen. Gerüchten    zufolge    gibt    es    im    Internet    bereits    fertige    Formulare    mit entsprechendem   Bildmaterial,   sodass   man   auf   diesen   Weg   auch   dann zurückgreifen   kann,   wenn   auf   dem   Grundstück   noch   nie   irgendeine   Art von Gebäude gestanden ist. Die   dritte,   bedeutend   weniger   kostengünstige   Möglichkeit   besteht   darin, ein   passendes   Nachbargrundstück   zu   erwerben.   Von   dieser   Möglichkeit machten wir Gebrauch.
Die   nächsten   Sommerferien   gingen   hin   mit   Planungen,   Vermessungen, dem   Bau   einer   zweiten   Holzhütte   am   neuen   Grundstück,   als   Einstellplatz für    landwirtschaftliche    Geräte    wie    Balkenmäher,    Motorhacke,    unseren Generator   sowie   Bauholz   und   eine   größere   Anzahl   Thermoglasscheiben, die   alten   Fenster   meiner   Schule   in   Sandl,   als   Grundlage   eines   geplanten Gewächshauses. Außerdem   musste   der   neue   Grund   eingezäunt   werden;   auch   ein   Teich wurde angelegt. Im   Winter   erreichte   uns   die   Nachricht,   dass   ab   1.   Februar   die   Gebühr   für eine Baugenehmigung von 4000 auf 9000€ erhöht würde. Außerdem    war    Vasso,    die    Tochter    unseres    Wirtes,    eben    mit    ihrem Ingenieursstudium    fertig    geworden    und    somit    bereit,    unsere    Pläne einzureichen. Erste   Erkundigungen   über   den   finanziellen   Aufwand   eines   schmucken Häuschens führten zu keinen realistischen Ergebnissen. Ich   hatte   bereits   ein   Modell   gebaut   und   in   ein   Foto   des   Grundstücks eingesetzt: so würde es werden. Nach    einigem    Hin-    und    Herschicken    von    Maßen,    Fenstergrößen    und Mauerstärken, Streichung von Vordächern und Anbauten, konnte der Plan noch   rechtzeitig   eingereicht   werden,   und   bald   schon   waren   wir   stolze Besitzer einer amtlichen Baugenehmigung. Eine   wichtige   Erfahrung   durften   wir   schon   in   der   Planungsphase   machen: nur   nie   die      Nachbarn   um   Rat   fragen,   wie   hoch,   wie   groß   oder   wie   tief etwas   sein   sollte.   Jeder   rät   nämlich   aufs   Entschiedenste   just   von   jenen Annehmlichkeiten ab, die er selbst nicht hat. So   meinten   manche,   wir   sollten   nur   ja   keinen   ersten   Stock   draufsetzen, andere    rieten    uns    ab,    einen    Keller    zu    bauen    (was    wir    immer    noch bereuen),   und   wieder   jemand   meinte,   die   Fenster   sollten   möglichst   klein sein, um im Sommer die Hitze nicht einzulassen. Aufgrund    von    Messungen    an    verschiedensten    Fenstern    bestellten    wir schließlich   6   Stück   in   der   Größe   100   x   130   cm,   außerdem   2   schöne hölzerne   Eingangstüren   sowie   3   kleinere   für   innen.   Dieselben   brachten wir   schon   in   den   Osterferien   mit   unserem   VW-Bus   nach   Samothraki   und lagerten sie einstweilen in der 2. Holzhütte. Da   ich   im   nächsten   Schuljahr   ein   sogenanntes   Sabatical   antreten   sollte, hatten wir ab Juli 14 Monate Zeit, unser Haus zu bauen. Jannis,    der    Schnitzelwirt,    vermittelte    uns    den    besten    Baumeister    der Insel,   als   dieser   gerade   in   seiner   Taverne   speiste,   wir   überreichten   ihm unsere    Pläne    und    besprachen    den    Modus    der    Finanzflüsse,    nämlich gelegentliche Barzahlung nach Abschluss einzelner Arbeitsschritte. Bevor   es   aber   losgehen   konnte,   brauchten   wir   noch   Strom;   auch   dieses Problem sollte sich fast wie von selbst lösen...   (Fortsetzung Phase 2: Elektrifizierung)
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© Josef Peneder 2016   Version 3.0  /  27.11.2023
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