Josef Peneder
Texte aus fünf Jahrzehnten
© Josef Peneder 2016 Version 3.0 / 27.11.2023
Josef Peneder
Der Piccolo
An
einem
touristisch
wenig
erschlossenen
Strand
der
Chalkidiki
pflegte
ich
jahrelang
die
Sommerferien
zu
verbringen
und
lernte
dabei
die
unterschiedlichsten
und
originellsten
Menschentypen
kennen.
Einer
davon
war
Tassos,
der
damals,
vor
etwa
zwanzig
Jahren,
mit
einer
Art
Polizeikappe
als
äußeres
Zeichen
seiner
zweifelhaften
Autorität,
als
kleiner
Landpolizist
(χωροφύλακας)
die
Gegend
unsicher
machte,
und
zwar
aufgrund
seiner
immerwährenden
Alkoholisierung
sowie
auf
einem
alten
Motorrad.
Ich
erkundigte
mich
bei
Sotiri,
meinem
Freund
und
Tavernenwirt,
ob
dieser
Tassos
wirklich
Polizist
sei.
Sotiris
winkte
ein
wenig
abfällig
mit
der
Hand
und
erklärte:
"Nur
piccolo
Polizei",
wobei
er
mit
Daumen
und
Zeigefinger
etwa drei Zentimeter andeutete.
Seither war er für uns der Piccolo!
Er
bot
sozusagen
ein
vertrautes
Bild,
wie
er
in
halsbrecherischer
Haltung
die
staubigen
Küstenstraßen
dahinfuhr,
weit
vornüber
gebeugt,
da
seine
Maschine
–
glücklicherweise
-
eher
schwachbrüstig
ausgelegt
war
und
mehr
Lärm
als
Tempo
machte.
Mehr
als
einmal
hatte
er
eine
Kurve
oder
seinen
Alkoholpegel
zu
großzügig
bemessen
und
fand
sich
laut
schimpfend,
aber
sonst
meist
unverletzt, in der Macchia wieder.
Nur
einmal
trafen
wir
ihn,
von
oben
bis
unten
eingegipst,
mit
Krücken
und
blaurot
verschwollenem
Gesicht,
in
unserer
Stammtaverne;
damals
hatte
ihn
sein
Glück
verlassen,
als
er
nämlich
einen
entlaufenen
Hund,
ein
kräftiges
Tier,
seinem
Besitzer
zurückbringen
wollte.
Er
band
ihn
kurzerhand
an
eine
feste
Schnur,
schwang
sich
aufs
Motorrad
und
knatterte
los,
wobei
der
Hund
zunächst
ein
anständiges
Tempo
vorlegte
und
schließlich,
als
er
merkte,
wo
es
hinging,
unvermutet
eine
Abkürzung
über
eine
Böschung
wählte,
was
den
bedauernswerten
Tassos
für
längere
Zeit
aller
häuslichen
und
alkoholbedingten
Sorgen
enthob;
tatsächlich
überlebte
er
nur
knapp,
das
Motorrad
war
erledigt
und
der
Hund
soll,
Berichten
zufolge, allein nach Hause gelaufen sein.
Die
Geschichte,
die
ich
erzählen
möchte
und
die
von
menschlicher
Wärme
und
verwirrten
Gefühlen
handelt,
begann
vor
einigen
Jahren
in
meiner
Stammtaverne.
Der
Piccolo,
damals
schon
schwer
havariert
und
gerade
motorradlos,
hatte
daselbst
einen
gemütlichen
Vormittag
bei
Bier
und
Ouzo
verbracht.
Nun,
just
in
der
schlimmsten
Hitze
des
Tages,
besann
er
sich
plötzlich
seiner
Verpflichtungen.
Ein
Arzt
aus
Thessaloniki
hatte
auf
einem
Hügel
über
dem
Meer
eine
schöne,
weiße
Villa
erbaut.
Das
Anwesen
wurde
von
drei
Hunden
bewacht,
dieselben
in
Abwesenheit
des
Hausherrn
zu
füttern
war
Aufgabe
und
Einkommensquelle
des
wackeren
Piccolo,
der
sich
nun
zu
Fuß
auf
den
Weg
zum etwa einen Kilometer entfernten Einsatzort machte.
Zuerst
schimpfte
er
noch
lautstark
über
die
Hitze
und
den
Staub,
wurde
stiller
und
stiller
und
schließlich,
als
er
mit
letzten
Kräften
die
Anhöhe
erklommen
hatte,
versagte
sein
alkoholgeschwächter
Kreislauf
und
er
stürzte
bewusstlos
zu
Boden.
Wie
lange
er
so
unter
den
sengenden
Strahlen
der
Sonne
am
Wegrand
lag,
entzieht
sich
leider
unserer
Kenntnis;
schließlich
kamen
vom
Strand
zwei
Griechen
herauf,
es
war
die
Zeit,
wo
man
gerne
die
flirrende
Hitze
des
Sandes
gegen
den
kühlen
Schatten
einer
Taverne
eintauscht,
wo
es
einen
nach
Feta
und
Oliven,
nach
einem
ordentlichen
Bauernsalat
und
eiskalten
Getränken
verlangt.
Die
beiden
entdeckten
den
Leblosen,
hingestreckt
am
Zaun,
trugen
ihn,
da
er
noch
atmete,
in
ihr
Auto
und
brachten
ihn
zu
eben
jener
Taverne,
wo er vor geraumer Zeit aufgebrochen war.
Man
setzte
ihn
an
seinen
Stammtisch,
der
Wirt
brachte
rasch
ein
kaltes
Bier
und
bald
schon
schlug
unser
Piccolo
die
Augen
auf
und
wollte
denselben
gar
nicht
trauen.
Ganz
sicher
war
er
sich,
dass
er
oben,
bei
der
weißen
Villa,
gerade
angekommen
war,
dass
er
den
beschwerlichen
Weg
in
der
Hitze
zurückgelegt
hatte,
weil
er
doch
die
Hunde
zu
füttern
hatte,
und
jetzt
saß
er
immer
noch
hier
auf
seinem
Platz,
vor sich das Bier, als ob gar nichts gewesen wäre.
Er
blickte
erstaunt
umher,
schüttelte
ungläubig
den
Kopf,
trank
einen
Schluck
und
erklärte
dann
den
besorgten
Umstehenden
feierlich,
er
sei
nicht
hier,
sondern
ganz
woanders,
obwohl
er
doch
hier
gewesen
sei,
und
das
Leben
sei
undurchschaubar,
unverständlich
und
er
werde,
für
heute sei es schon zu spät, ab morgen weniger trinken.
Dann
erhob
er
sich
seufzend
und
wankte
hinaus
in
den
hitzeflimmernden
Nachmittag,
um
die
Hunde
der
weißen
Villa zu füttern.
Fleisch-
und
Wurstwaren,
verschiedene
Käse,
Eier
und
Aufstriche
befanden.
Einige
Menschen,
offenbar
Stammkunden,
standen
bereits
davor
herum
und
bestaunten das leuchtende Wunderding.
Dahinter
war
eine
junge
Verkäuferin
damit
beschäftigt,
aus
einer
2-Liter-Flasche
Ouzo
in
kleine
Gläser
zu
füllen,
die
sie
sorgfältig
auf
die
Vitrine
stellte.
Unser
netter
Herr
drückte
uns
zwei
Gläschen
in
die
Hand,
bedeutete
den
anderen
sich
zu
bedienen
und
erklärte
feierlich,
dies
sei
die
Eröffnung
der
neuen Fleischwarenabteilung.
Wir
riefen
alle
"Ja
mas"
und
tranken
unseren
Ouzo,
der
sogleich
wieder
nachgefüllt
wurde.
Die
Stammgäste
lobten
die
sauberen
Glasscheiben
und
das
reichhaltige
Angebot,
wir
genossen
den
erhebenden
Augenblick
inmitten
überfüllter
Regale
und
dann
nahm
der
freundliche
Supermarktbesitzer
einen
Aschenbecher,
stellte
ihn
zu
den
Ouzogläsern,
brachte
eine
Packung
Zigaretten
und
verteilte
sie
unter
den
Umstehenden.
Alle
griffen
dankbar
zu,
er
gab
uns
Feuer,
und
so
standen
wir
rauchend
um
die
neue
Fleischwarenabteilung,
nahmen
Teil
an
der
Freude
des
stolzen
Besitzers
und
hatten
das
erhebende
Gefühl,
unmittelbare
Zeugen
des
Fortschritts
der
Menschheit
geworden
zu
sein,
während
die
Rauchschwaden
langsam
die
Umgebung in milde Unschärfe tauchten.
Mit
Wehmut
denke
ich
heute
oft
an
diese
Begebenheit
zurück,
denn
jenes
Griechenland
mit
seiner
liebenswerten
Menschlichkeit
droht
unterzugehen
im
Sog
der
Geldgier,
der
menschenverachtenden
Gewissenlosigkeit
von
Banken
und
Konzernen,
wo
gesichtslose
Befehlsempfänger
im
Kampf
um
Prozente
ihre
Seele
verkaufen
und
mit
ihren
tadellosen
Anzügen und chromglänzenden Luxusautos doch nie einem
griechischen
Supermarktbesitzer
im
zerknitterten
Arbeitsmantel das Wasser reichen können.
Josef Peneder
Die Eröffnung der Fleischwarenabteilung
Ein Nachruf
Anfang
der
90er
Jahre
befand
sich
Griechenland
noch
in
der
beneidenswerten
Lage,
unabhängig
von
EU-
Verordnungen
seine
eigene
Mentalität
zu
pflegen;
man
hatte
Zeit
für
Gespräche,
wer
genug
zum
Leben
hatte,
war
zufrieden,
das
uralte
Auto
wurde
immer
wieder
fahrtüchtig
gemacht,
die
Kinder
liebevoll
ins
Alltagsleben
eingebunden,
der
Schafhirte
trank
abends
seinen
Ouzo
mit
dem
Bürgermeister
im
Kafenion,
die
Oma
saß
vor
dem
Haus
und
beobachtete
das
Treiben
auf
der
Straße.
Die
Jugend
spielte
am
Ortsrand
Fußball
oder
knatterte
auf
frisierten
Mopeds
die
Strandpromenade
auf
und
ab,
was
die Älteren zu verständnislosem Kopfschütteln veranlasste.
Wir
waren
damals
in
den
Sommerferien
mit
unserem
alten
VW-Bus
viel
im
Landesinneren
unterwegs,
abseits
der
Touristenzentren,
saßen
abends
in
Tavernen
und
nächtigten häufig gleich dahinter am Parkplatz.
Gelegentlich
suchten
wir
einen
"Super
Market"
auf,
um
uns
mit
frischem
Obst
und
Trinkwasser
einzudecken,
außerdem
gab
es
in
diesen
Geschäften
immer
Originelles
zu
entdecken:
Retsinagläser,
Öllämpchen,
Löffel
aus
Olivenholz,
Duftseifen,
Anti-Moskito-Kerzen,
seltsame
Liköre,
Kaffeekocher,
offenen
Popcornmais,
spezielle
Gemüsesamen,
regionale
Weine,
Feigenmarmelade,
Souvenirfeuerzeuge,
eingelegte
Früchte,
kleine
Heldenstatuen,
Gewürze,
echte
Badeschwämme,
Kupferkessel,
Musik-CDs,
bunte
Tücher,
weiters
nützliche
Dinge
fürs
Campieren
wie
Gaslampen,
Kocher,
Schläuche,
Elektrokabel, Batterien oder Klopapier.
Einmal
schlenderten
wir
gerade
durch
einen
solchen
Laden,
als
uns
ein
dicker
Herr
im
weißen,
etwas
zerknitterten
Arbeitsmantel
aufgeregt
herbeiwinkte.
Er
strahlte
über
das
ganze
Gesicht,
wobei
er
in
schnellem
Griechisch
auf
uns
einredete.
Wir
folgten
ihm
neugierig
in
den
hinteren
Teil
des
Geschäfts,
wo
er
stolz
vor
einer
breiten,
hell
beleuchteten
Vitrine
stehen
blieb,
in
der
sich
Damals,
es
war
so
etwa
1993,
als
es
in
Österreich
noch
den
guten
alten
Schilling
und
in
Griechenland
die
Drachme
gab,
als
man
statt
der
Bankomatkarte
noch
Bargeld
und
Schecks
dabei
hatte,
entdeckten
wir
in
einem
kleinen
Dorf
in Nordwestgriechenland eine Bank, die gerade offen hatte.
Wir
beschlossen,
die
Gelegenheit
zu
nutzen
und
1000
Schilling
in
Drachmen
zu
wechseln.
Die
Bank
war
angenehm
kühl,
ein
freundlicher
Mensch
nahm
sich
auch
gleich um uns an.
Wir
legten
einen
Pass
auf
seinen
Tisch
und
dazu
unseren
Tausender und erklärten stolz:"Drachmès, parakalo!"
Der
Bankangestellte
betrachtete
den
Geldschein,
auf
dem
der
Physiknobelpreisträger
Erwin
Schrödinger
abgebildet
war,
interessiert,
blickte
dann
auf
meinen
Pass
und
erklärte
mit einer gewissen Erleichterung: "Austria?"
Wir
nickten
beifällig,
worauf
er
unter
seinem
Schreibtisch
verschwand
und
mit
einem
riesigen
Buch
wieder
zum
Vorschein
kam,
das
er
zufrieden
vor
sich
ausbreitete.
Es
enthielt
offenbar
die
Fotos
sämtlicher
Banknoten
der
Welt.
Er schlug es auf und begann versonnen darin zu blättern.
Gleich
nach
Australien
kam
schon
Austria.
Auf
einer
Doppelseite
waren
die
Geldscheine
abgebildet.
Daneben
gab
es
wohl
Erklärungen
über
die
jeweiligen
Sicherheitsmerkmale und das Ausgabedatum.
Das
Buch
dürfte
schon
etliche
Jahre
auf
dem
Buckel
gehabt
haben,
denn
der
österreichische
Tausender
zeigte
noch
das
Portrait
Bertha
von
Suttners
und
war
ab
1985
nicht
mehr
in
Umlauf.
Der
freundliche
Bankbeamte
wirkte
etwas
unsicher.
Stirnrunzelnd
verglich
er
unseren
streng
blickenden
Schrödinger
mit
der
würdevollen
Friedensnobelpreisträgerin,
blätterte
noch
einmal
in
seinem
Buch
vor
und
zurück
und
wir
rechneten
schon
damit,
dass
wir
unser
Glück
in
einer
anderen
Bank
in
einem
Touristenzentrum versuchen müssten.
Doch
er
war
halt
ein
echter
Grieche,
zuckte
resignierend
die
Schultern,
klappte
das
dicke
Buch
zu,
tippte
einige
Zahlen
in
seinen
Taschenrechner,
entnahm
der
Geldlade
ein
dickes
Bündel
Drachmen
und
zählte
uns
einen
stattlichen
Teil
davon
auf
den
Tisch.
Der
Schrödinger
wanderte
in
eine
einsame
Kassette,
wir
unterschrieben
eine
Quittung,
erhielten
mit
freundlichem
Lächeln
den
Reisepass
zurück
und
verließen
das
Bankgebäude
mit
dem
zufriedenen
Gefühl,
dass
hier
Menschlichkeit
und
Vertrauen
noch
mehr
zählt als Vorschriften und Paragraphen.
Josef Peneder
Geldwechsel
Man
findet
in
der
griechischen
Landschaft
immer
wieder
kleine
Kirchlein,
jedes
nach
einem
bestimmten
Heiligen
benannt:
Agios
Pavlos,
Agios
Petros,
Agios
Georgios
oder,
wie
in
diesem
Fall,
Prophitis
Ilias
im
Hinterland
der
Halbinsel
Sithonia.
Zu
verschiedenen
Anlässen
wird
dort
eine
kleine
Messe
gefeiert,
ein
bärtiger
Papàs,
umringt
von
Ikonen
und
älteren
Frauen,
rezitiert
seine
Litaneien,
während
die
Männer
gerne
draußen
über
den
Viehbestand
oder die Politik diskutieren und rauchen.
Vor
dem
Osterfest
werden
diese
Kirchlein
auf
Hochglanz
gebracht,
wozu
auch
ein
frischer
weißer
Kalkanstrich
der
Außenfassade
gehört.
Dieser
Kalk,
Asvesti
genannt,
wird
meist
in
Beuteln
zu
5
Kilo
verkauft,
in
Eimern
mit
Wasser
verrührt
und
dann
mit
großen
Pinseln
oder
kleinen
Besen
aufgetragen.
Nun
begab
es
sich
einmal,
dass
die
Helfer
am
Tag
vor
dem
Osterfest,
wo
die
Mauern
in
frischem
Weiß
leuchten
sollten,
keinen
Kalk
hatten.
Jeder
hatte
sich
offenbar
auf
die
anderen
verlassen
oder
gehofft,
es
würden
schon
noch
ein paar Säckchen vom Vorjahr herumliegen.
Es
war
guter
Rat
teuer,
denn
zur
nächsten
Ortschaft
war
es
weit
und
niemand
hatte
Lust,
auf
den
staubigen
Wegen
zurückzufahren, zumal es bereits dämmrig wurde.
So
überlegte
man
hin
und
her,
bis
schließlich
einer
die
rettende Idee hatte: wir streichen die Kirche mit Joghurt!
Denn
gleich
in
der
Nähe
hatte
ein
Hirte
seine
Behausung
und
er
war
auch
sofort
bereit,
das
gewünschte
Material
herbeizuschaffen.
Das
Joghurt
war
schön
weiß,
cremig,
und
ließ
sich
gut
verstreichen.
Schon
nach
einer
knappen
Stunde
war
das
Werk
vollendet,
Profitis
Ilias
glänzte
so
richtig
frisch
in
der
Abendsonne.
Hier
würde
morgen
sicher
ein
würdiger
Gottesdienst
vonstatten
gehen
können.
Auch
hoffte
man,
dass
sich
der
etwas
säuerliche
Joghurtgeruch
über
Nacht
noch
verflüchtigen
würde.
Gemeinsam
brachen
sie
auf,
um
in
der
Dorftaverne
ihren
rettenden
Einfall
noch
entsprechend zu begießen.
Kaum
war
es
um
das
Kirchlein
still
geworden,
erschienen
Josef Peneder
Kalkmangel
die
ersten
Hunde.
Hunde
lieben
Joghurt,
und
der
verführerische
Duft,
der
sich
über
die
Hügel
zog,
lockte
immer
mehr
von
ihnen
an.
Es
waren
zum
Teil
Streuner,
die
sich
mehr
schlecht
als
recht
durchschlugen,
aber
auch
große,
kräftige
Hirtenhunde,
die
sonst
mit
Nudeln,
Reis
oder
Kartoffeln
ernährt
wurden.
Hier
schien
nun
ein
vorösterliches Schlemmermahl stattzufinden.
Die
Wände
wurden
sorgsam
abgeleckt,
zuerst
ganz
unten,
wo
der
Anstrich
kleine
Pfützen
gebildet
hatte,
dann
höher
und
höher,
und
schließlich
mussten
sich
alle
mit
den
Vorderpfoten
abstützen,
um
nur
ja
nichts
von
dieser
Köstlichkeit
verkommen
zu
lassen.
Der
Staub
der
Umgebung
bildete
rasch
auf
der
frisch
geleckten
Wand
die
schönsten
Pfotenabdrücke,
und
als
die
letzten
Hunde
eingesehen
hatten,
dass
hier
nichts
mehr
zu
holen
war,
erinnerten
die
Wände im unteren Drittel an ein Leopardenfell.
Als
nun
am
Ostermorgen
eine
kleine
Prozession
würdevollen
Schrittes
den
Hügel
heraufkam,
erkannte
man
schon
von
weitem
den
eigenartigen
Anblick
des
Kirchleins.
Den
findigen
Anstreichern
wurde
es
ein
wenig
mulmig,
obgleich
sie
noch
nicht
recht
erkennen
konnten,
worauf
diese
sonderbare
Optik
zurückzuführen
war.
Im
Näherkommen
wehte
die
staunende
Schar
ein
säuerlicher
Geruch
an,
auch
konnten
die
ersten
bereits
Hunderte
Pfotenabdrücke
erkennen.
Als
nun
die
Schuldigen
ihr
Geheimnis
lüfteten,
ging
zuerst
ein
Raunen
durch
die
Menge,
das
sich
schnell
zu
schallendem
Gelächter
wandelte.
Selbst
der
Papàs
musste
schmunzeln,
während
die
Anstreicher
mit
rotem
Kopf
und
gesenktem Blick dabeistanden.
Die
Ostermesse
wurde
trotzdem
andächtig
zelebriert,
die
Geschichte
vom
fehlenden
Kalk
verbreitete
sich
in
Kafenions
und
Tavernen
weit
über
die
Gegend
hinaus
und
sorgt
seither
bis heute immer wieder für Heiterkeit.
Der
Joghurtanstrich
jedoch
blieb,
trotz
des
schönen
weißen
Glanzes,
ein
einmaliges
Ereignis,
da
er
sich
als
nicht
hunderesistent erwiesen hatte.
Zum
ersten
Mal
kam
ich
nach
Griechenland,
weil
ein
Freund von mir mich fragte, ob ich nicht mitfahren wolle.
Ich
war
damals
22,
das
beste
Alter,
um
sich
in
jedwedes
Abenteuer
zu
stürzen.
Wir
fuhren
mit
zwei
Autos,
insgesamt
zu
siebt,
drei
Paare
und
ein
Kind,
verfuhren
uns
hoffnungslos
in
Ungarn,
rasteten
ein,
zwei
Stunden
in
Nordserbien
am
Straßenrand,
krochen
stundenlang
auf
Schotterstraßen
dahin
neben
der
in
Bau
befindlichen
Autobahn,
übernachteten
in
einem
billigen
Motel
in
Südjugoslawien
und
standen
am
Nachmittag
erschöpft,
aber glücklich im Stau an der griechischen Grenze.
Aus
den
offenen
Autofenstern
erklang
da
und
dort
Musik,
schwungvoll
und
klagend,
eine
wunderbare,
fremde
Sprache,
es
war
unglaublich
heiß,
die
Luft
flirrte
in
Schleiern
über
dem
Asphalt
und
den
Autodächern,
man
lächelte
den
Menschen
im
Nachbarfahrzeug
zu,
langsam
schob
sich
alles
in
fünf,
sechs
Spuren
den
Grenzschranken
entgegen,
das
Auto
wurde
im
Reisepass
eingetragen
und
dann war es geschafft: wir waren in Griechenland.
Ein
paar
Kilometer
hinter
der
Grenze
fuhren
wir
von
der
Autobahn
ab.
Es
gab
ausgedehnte
Ebenen
mit
spärlichem
braunen
Gras,
wir
übernachteten
zwischen
den
Autos
auf
unseren
Schlafsäcken
und
waren
in
der
Früh
von
einer
gewaltigen Rinderherde umringt.
Im
Morgengrauen
durchquerten
wir
die
Industriegebiete
von
Thessaloniki,
ein
Stillleben
aus
abgewrackten
Lastautos,
Bergen
von
Reifen
und
Schrott,
dazwischen
halb
verfallene
Fabriksgebäude,
Bauschutt,
blühende
Bäume,
Plakatwände,
Holzzäune,
Erdhügel
voll
totem
Gestrüpp,
Katzen,
streunende
Hunde,
dann
wieder
ein
Kafenion
mit
alten
Männern,
Werkstätten,
kleine
Supermärkte
mit
bunten
Kühlschränken
und
Sonnenschirmen,
und
die
Stadt
selbst,
lebendig,
vierspurige
Durchzugsstraßen,
alles
fließend,
mitreißend,
Mopeds
mit
barfüßigen
Knaben,
die
sich
zwischen
den
Autos
nach
vorn
kämpften,
um
an
der
nächsten
Ampel
eine
gute
Startposition
zu
ergattern.
Gelegentlich
zweisprachige
Wegweiser:
Chalkidiki,
unser
Ziel,
wo
mein
Freund
eine
einsame
Sandbucht
zu
kennen
glaubte, die wir tatsächlich auch fanden.
Am
Abend
saßen
wir
in
einer
kleinen
Taverne,
rundherum
nichts
als
Natur,
Olivenbäume,
Riesenschilf,
eine
einsame
Staubstraße,
da
und
dort
ein
Häuschen
-
Tristinika.
Es
gab
keinen
Strom,
Licht
aus
einer
Petromaxlampe,
Wasser
in
einem
urtümlichen
Ziehbrunnen
mitten
in
der
Taverne,
ein
alter
Kassettenrekorder
mühte
sich
redlich,
sich
mit
griechischer
Musik
gegen
das
Zirpen
der
Zikaden
zu
behaupten.
Die
Wirtsleute
sprachen
fast
nur
Griechisch,
der
Rauch
der
Holzkohle
vermischte
sich
mit
den
Düften
aus
der
Küche,
wir
aßen,
tranken
lauwarmes
Bier
oder
Cola,
Retsina,
später
Ouzo
und
noch
später
Tsipouro
aus
einer 2-Liter-Flasche, die am Tisch im Kreis ging.
Es
war
ein
seltsames
Gefühl
-
man
stellt
sich
etwas
vor,
schön,
großartig,
träumt
davon,
wie
es
werden
könnte,
und
dann
ist
die
Wirklichkeit
um
soviel
atemberaubender,
so
unwirklich
perfekt,
dass
man
fürchtet
aufzuwachen
-
und
doch
sitzt
man
mit
vertrauten
Menschen
am
Tisch
und
merkt,
sie
empfinden
genauso,
diesen
ewig
unvergesslichen
Augenblick, wie ein Heimkommen.
Und
dazu
die
jugendliche
Unbeschwertheit,
der
Optimismus,
keinerlei
Gedanken
daran,
was
alles
sein
könnte,
was
alles
passieren
könnte,
unbedeutend
die
eigene
Endlichkeit,
nur
das
Jetzt,
nur
die
friedliche
Nacht,
eine
aufgeschnittene
Melone,
Weinkaraffen,
Gläser,
leere
Teller,
ein
voller
Aschenbecher,
ein
Päckchen
Assos,
daneben
das
Feuerzeug,
die
Plastikflasche
mit
dem
Trinkwasser,
das
Wörterbuch
neben
dem
Brotkorb,
Stimmengewirr,
Lachen,
die
Finger
klopfen
den
Takt
der
Bouzouki,
der
warme
Wind
vom Meer: Griechenland!
Und
dann
unsere
Bucht:
goldener,
grober
Sand,
links
und
rechts
braune
Felsen,
darüber
hellgrüne
Föhren,
ein
paar
wenige
Zelte,
davor
das
Meer,
türkise
Sonnenkringel,
weiter
draußen
geheimnisvolles
Dunkel,
am
Horizont
der
erste
Finger
der
Chalkidike,
Kassandra,
im
zarten
Dunst
des anbrechenden Tages.
Die
Wellen
verrollen
sich
in
sanftem
Rhythmus
im
Sand,
langsam
kriecht
die
Sonne
über
den
Hügel,
erreicht
Josef Peneder
Mäh
wärmend
unsere
Schlafsäcke.
Wir
öffnen
die
Augen
und
sind
im
Paradies,
in
Gottes
wunderbarer
Schöpfung,
einzigartig,
perfekt,und
doch
so
verletzlich:
ein
Feuer,
ein
Tankerunfall,
ein
ehrgeiziges
Bauprojekt;
das
alles
geht
mir
in
der
Erinnerung durch den Kopf.
Wir
kochen
Kaffee
auf
unserem
kleinen
Gaskocher,
ein
kurzer
Morgenschwumm,
in
der
Sonne
trocknen,
bis
es
zu
heiß wird, dann werden Pläne geschmiedet.
Mein
Freund
möchte
gerne
abends
am
Strand
grillen.
Wir
hatten
aus
Steinen
im
Sand
eine
kleine
Grube
ausgelegt,
darüber den Rost. Holz gibt es in Fülle im Hinterland.
Mein
Freund
möchte
Lammkoteletts.
Unbedingt.
Nichts
anderes.
Also
fahren
wir
in
den
nächsten
größeren
Ort,
Neos
Marmaras.
Während
die
Damen
rasch
im
touristischen
Gedränge
der
Kleider-
und
Souvenirgeschäfte
entschwinden,
sehen
wir
beide uns nach einem Fleischerladen um.
Jetzt
war
aber
guter
Rat
teuer,
denn
unser
Griechisch
war
damals
nur
rudimentär
vorhanden;
ich
hatte
zwar
einmal
kurz
Altgriechisch
im
Gymnasium
und
konnte
daher
wenigstens
die
Buchstaben
lesen,
aber
die
Aussprache
ist
heute natürlich völlig anders!
Man
stelle
sich
vor,
man
könnte
ausschließlich
Althochdeutsch und möchte nun Lammkoteletts kaufen...
Auch
aus
unserem
Wörterbuch
wurden
wir
nicht
ganz
schlau,
denn
für
"Schaf"
gibt
es
mehrere
verschiedene
Wörter,
auch
der
Unterschied
zwischen
Koteletts
und
Rippchen
war
uns
nicht
ganz
klar,
und
das
Einzige,
was
wir
in
der
Auslage
entdecken
konnten,
waren
die
Öffnungszeiten.
Wir
verließen
uns
auf
unser
Glück,
hofften
auch
ein
wenig,
dass
der
dicke
Fleischhauer
etwas
Deutsch
konnte,
und
schritten mutig in den Laden.
Es
war
angenehm
kühl,
in
der
Vitrine
lagen
verschiedenste
Fleischsorten
ohne
Beschriftung,
aber
zu
unserer
Freude
hing
dahinter
an
der
Wand
ein
großes
Gemälde:
"Jesus,
der
gute Hirte", umringt von Schafen.
Da
noch
andere
Kunden
bedient
wurden,
hatten
wir
Zeit
zum Überlegen.
Uns kamen Zweifel.
Wir
waren
zum
ersten
Mal
in
diesem
Land,
wir
kannten
die
Mentalität
der
Griechen
nicht,
wir
wollten
keinesfalls
jemanden
beleidigen,
schon
gar
nicht
einen
dicken
Fleischhauer,
der
eben
sein
großes,
blutiges
Messer
an
seiner
Schürze
abwischte.
Womöglich
würde
er
es
übel
nehmen, wenn wir auf sein Jesusbild zeigten?
Wir
hatten
gerade
beschlossen,
das
Bild
nur
als
allerletzten
Ausweg
zu
nutzen,
als
wir
auch
schon
mit
einem
freundlichen
"Ορίστε!"
aufgefordert
wurden,
unsere
Wünsche zu äußern.
Einer
spontanen
Eingebung
folgend
blickte
mein
Freund
dem Schlachtmeister fest in die Augen und sagte: "Mäh!"
Dazu deutete er auf die ausgelegte Ware in der Vitrine.
Der
Angesprochene
runzelte
die
Stirn,
kratzte
sich
am
Kopf
und fragte etwa eine halbe Oktave tiefer: "Mäh?"
"Mäh!", antwortete mein Freund mit fester Stimme.
Der
Fleischhauer
hielt
den
Kopf
schief,
zeigte
auf
ein
Kotelett
und
meinte:
"Mekmekmek!"
Mir
kam
es
vor,
als
würde er ein klein wenig grinsen.
Mein
Freund
wich
entsetzt
zurück.
Ziege
war
das
Letzte,
was
er wollte.
"Nein!", rief er. "Mäh, mäh!"
Der
Meister
versuchte
es
mit
einem
Kompromiss:
"Mähähä,
mähähä",
meckerte
er
fröhlich,
während
mein
Freund
mit
einem verzweifelten "Määäähhhh" antwortete.
Schließlich
spielte
er
unsere
Trumpfkarte
aus
und
zeigte
auf
das
Bild.
Dazu
ließ
er
ein
letztes,
bekräftigendes
"Mäh"
ertönen.
Nun
konnte
der
Fleischhauer
sein
Grinsen
nicht
mehr
zurückhalten.
Er
schaute
uns
bedauernd
an
und
meinte:
"Tut mir leid, Schaf ich habe heute nix, nur Ziege Kòtlett."
Wir
verließen
das
Geschäft
mit
einem
Sack
Souflaki-
Spießchen
und
dem
erhebenden
Gefühl,
im
Ausland
den
Widrigkeiten
nahezu
unüberwindbarer
Sprachbarrieren
erfolgreich die Stirn geboten zu haben.
In
meinem
ersten
Sommer
in
Griechenland
war
das
Wörterbuch
ein
ständiger
Begleiter.
Wann
immer
ich
etwas
Bestimmtes
zu
kaufen
gedachte,
suchte
ich
das
entsprechende
Wort
heraus,
versuchte,
es
mir
einzuprägen
und erhielt dann auch meist das Gewünschte.
Eines
Tages
nun,
wir
waren
wieder
einmal
in
Neos
Marmaras,
um
anstehende
Besorgungen
zu
erledigen,
benötigte
ich
für
eine
Bastelarbeit
unbedingt
einige
Gummiringerl.
Der
Supermärkte
gab
es
in
diesem
Touristenzentrum
zahlreiche, daher würde ich schon fündig werden.
Ich
zückte
mein
Wörterbuch.
Es
gab
natürlich
keine
Gummiringerl,
nur
Gummi,
Làsticho!
Dieses
Wort
stand
offenbar
für
praktisch
alles,
was
aus
Gummi
oder
nur
irgendwie
elastisch
war,
vom
Autoreifen
über
jegliche
Art
von
Schläuchen
bis
zu
Kondomen
und
Hosenträgern.
Typisch!
Die
Griechen
haben
unzählige
Bezeichnungen
für
ihre
Schiffe,
aber
Gartenschlauch
und
Autoreifen
teilen
sich das gleiche Wort.
Vielleicht
hatte
ich
Glück
und
würde
die
Gummiringe
einfach selbst entdecken.
Dem war natürlich nicht so.
Schließlich
entdeckte
ich
aber
einen
Verkäufer
mit
verständnisvollem
Gesichtsausdruck.
Etwas
zaghaft
sprach
ich ihn an: "Làsticho?"
Für
einen
kleinen
Moment
erhellte
sich
sein
Blick,
er
hatte
das
Wort
verstanden.
Aber
schon
umwölkte
sich
die
Stirn:
"Was Làsticho?"
"Làsticho",
erklärte
ich
und
fügte
überflüssigerweise
noch
"Gummiringerl" hinzu.
"Làsticho",
wiederholte
er
sinnierend,
winkte
mir,
mitzukommen
und
schon
standen
wir
vor
einigen
Rollen
grün-weiß gestreifter Gartenschläuche.
"Làsticho!"
"No",
erwiderte
ich
resignierend,
"Làsticho.
Mikro
Làsticho!"
Dabei
zeichnete
ich
mit
dem
Zeigefinger
in
der
Luft ein Gummiringerl nach.
Ich
tat
so,
als
würde
ich
mit
Daumen
und
Zeigefinger
beider
Hände
etwas
Elastisches
auseinanderziehen.
Er
kratzte
sich
am Kopf.
Ich
nahm
mein
Wörterbuch,
hielt
ihm
die
Seite
unter
die
Nase;
"Làsticho",
las
er
und
deutete
auf
ein
Kinderfahrrad.
"Làsticho."
Offenbar
meinte
er
den
Reifen.
Intelligenzmäßig
schien er zusehends zu verfallen.
Eine
düstere
Atmosphäre
der
Hoffnungslosigkeit
hatte
sich
ausgebreitet.
Wir
zuckten
beide
die
Schultern.
Mein
wackerer
Verkäufer
senkte
den
Blick
und
murmelte
entschuldigend: "No Làsticho!"
Dann entfernte er sich rasch.
Ich
kaufte
ein
paar
andere
Sachen,
stellte
mich
bei
der
Kasse
an
und
da
-
ich
traute
meinen
Augen
kaum
-
an
der
Seite
der
mächtigen,
metallenen
Registrierkasse,
neben
aufgeklebten
Notizzetteln
und
einer
Schüssel
mit
Feuerzeugen,
hingen
an
einem
leicht
rostigen
Klebehaken
drei
rosa
Gummiringerl!
Ich
wagte
kaum
zu
atmen.
Ich
blickte
mich
um.
Ich
sah
meinen
Verkäufer
bei
den
Konservendosen
stehen.
Ich
winkte ihm.
Er
kam
neugierig
näher,
ich
zeigte
auf
die
Gummiringerl.
Nun
würde
ich
also
endlich
erfahren,
wie
diese
Dinger
auf
Griechisch
heißen.
Der
brave
Mann
schaute
auf
das
Gummiringerl,
dann
auf
mich
und
erklärte
fröhlich:
"Ah!
Làsticho!"
Ich
bekam
die
drei
geschenkt,
aber
man
beteuerte
mir,
mehr
Làsticho sei in diesem Geschäft leider nicht zu finden.
Josef Peneder
Làsticho
Als
wir
1986
die
Insel
Samothraki
zum
ersten
Mal
besuchten,
waren
wir
in
einem
alten
VW-Bus
unterwegs.
Über
staubige,
kurvenreiche
Straßen
erreichten
wir
den
einzigen
Sandstrand,
Pachia
Ammos,
welcher
damals
nur
von
einigen
verwegenen,
sonnengedörrten
Aussteigern
bevölkert
war,
die
da
und
dort
die
Mittagszeit
unter
Sonnensegeln,
hinter
bunt
bemalten
Campingbussen
oder
vor kleinen Zelten verdösten.
Wir
hatten
unsere
Schlafsäcke
und
das
Meer
und
waren
soweit vollauf zufrieden.
Hinter
dem
Strand
unter
den
Bäumen
befand
sich
eine
kleine
Taverne,
der
man
ansah,
dass
sie
noch
relativ
neu
war.
Es
wurde
fleißig
gearbeitet,
man
konnte
aber
schon
etwas
zu
essen
und
vor
allem
zu
trinken
bekommen
-
hier
ließ
es
sich
vortrefflich
aushalten.
Im
Schatten
der
Bäume
sitzen,
eine
erfrischende
Brise
vom
Meer,
der
Geruch
von
Tang
und
Grillkohle,
dazu
kalter
Retsina
und
ein
gutes
Buch
gehören
zu
meinen
angenehmsten
Ferienerinnerungen.
Nach
ein
paar
Tagen,
wir
waren
mittlerweile
schon
Stammgäste,
kam
einer
der
beiden
Brüder,
die
die
Taverne
betrieben,
auf
uns
zu
und
erklärte
stolz,
die
Taverne
sei
jetzt
fertig
und
heute
Abend
gebe
es
eine
große
Eröffnungsfeier, zu der wir ganz herzlich eingeladen waren.
Am
Abend
gab
es
eine
lange
Tafel,
die
Wirtsleute,
die
Arbeiter,
ein
paar
Freunde
oder
Verwandte,
und
wir.
Es
gab
reichlich
Getränke,
Vorspeisen,
vom
Griller
zogen
die
Düfte
über
die
ganze
Bucht,
aus
dem
Radio
in
der
Küche
erklang die typische griechische Bouzouki-Musik.
Alle
waren
fröhlich,
und
auch
wenn
wir
von
dem
Griechisch,
das
hauptsächlich
gesprochen
wurde,
kaum
etwas
verstanden,
so
spürte
man
die
Zufriedenheit
der
Menschen,
die
Freude
über
den
vielversprechenden
Start
dieses
Projekts.
Diese
Freude
wollte
man
bestmöglich
mit
uns,
den
"Xeni", was sowohl Fremde als auch Gäste bedeutet, teilen.
Ein
großer
Topf
wurde
gebracht,
in
dem
sich
eine
Art
Suppe
befand.
Dem
Geruch
nach
dürfte
man
darin
Schaffleisch
gekocht haben, vielleicht auch Innereien.
Der
Deckel
wurde
gehoben.
Mitten
im
Topf
lag
ein
gekochter
Schafschädel,
der
uns
mit
weit
aufgerissenen
Augen
vorwurfsvoll anblickte.
Mir
war
schon
von
dem
fettigen
Geruch
ein
wenig
flau
geworden,
doch
die
Tafelrunde
war
ganz
begeistert.
Einige
schöpften
sich
diese
Suppe
auf
ihre
Teller,
tunkten
Weißbrotstücke
ein
und
schmatzten
und
grunzten
behaglich,
während sie offenbar die Küche hochleben ließen.
Dann
nahm
einer
den
Schafskopf
aus
dem
Topf,
schnitt
mit
einem
kleinen
Messer
eines
der
vorwurfsvoll
blickenden
Augen
heraus
und
reichte
es
mir
begeistert
mit
den
Worten
"Number one"!
Ich
prallte
entsetzt
zurück,
worauf
alle
lachten
und
ein
anderer das delikate Auge erhielt.
Den
restlichen
Abend
habe
ich
mich
ausschließlich
von
Pommes
ernährt
und
den
Schafsfettgeruch
erfolgreich
mit
Ouzo
bekämpft.
Ob
die
Augen
wirklich
gegessen
worden
sind,
kann
ich
nicht
sagen.
Ich
konnte
einfach
nicht
mehr
hinschauen.
Peneder Josef
Number one
Alle
waren
sie
zur
Taverne
aufgebrochen,
nur
ich
war
allein
am
Strand
geblieben.
Das
hatte
mehrere
Gründe.
Ich
wollte
gerne
einmal
den
romantischen
Sonnenuntergang
genießen,
in
aller
Ruhe
beschaulich
im
Sand
sitzen
und
nichts tun müssen.
Außerdem
wollte
ich
-
wieder
einmal
-
abnehmen
und
hatte
mir
eine
strenge
Diät
verordnet:
mindestens
zweimal
die Woche keine feste Nahrung. Und heute war so ein Tag.
Als
die
Sonne
untergegangen
war,
kamen
die
Moskitos.
Dagegen
ließ
sich
etwas
machen.
Ich
entzündete
ein
kleines
Feuerchen.
Bald
saß
ich
zufrieden
im
Rauch
und
schaute gedankenverloren in die Glut. Alles perfekt.
Da
und
dort
hatten
andere
Strandbewohner,
meist
Griechen,
ebenfalls
kleine
Feuer
angezündet
und
der
Wind
trug
den
zarten
Duft
von
Holzkohle
und
gegrillten
Spießchen zu mir herüber.
Ich atmete tief ein. Wunderbar.
Aber ich würde hart bleiben und heute nichts essen.
Außerdem
hatte
ich
gerade
eine
vegetarische
Phase,
dieser
Sommer sollte einfach nur gesund sein.
Außerdem hatte ich gar keine Vorräte da.
Oder doch?
Nur
so
aus
Neugierde
schaute
ich
in
unsere
Kühlbox.
Gute
Idee,
da
war
noch
ein
Fläschchen
Retsina
drin,
das
kam
mir
sehr
gelegen.
Als
ich
es
herausnahm,
bemerkte
ich
ein
großes,
grünes
Pfefferoni.
Pfefferoni
gelten
wohl
nicht
wirklich als feste Nahrung, dachte ich.
Ich
nahm
es
und
wog
es
in
der
Hand.
Ich
konnte
deutlich
spüren, dass es keinerlei Kalorien enthielt.
Ich
suchte
mir
also
ein
dünnes
Holzspießchen,
steckte
das
Pfefferoni
drauf
und
schon
saß
ich
wieder
beim
Feuer
und
hielt mein Spießchen über die Glut.
Gelegentlich
nahm
ich
einen
Schluck
von
dem
harzigen
Wein,
der
ungekühlt
nur
am
Strand
so
gut
schmeckt,
wenn
kleine
Wellen
rhythmisch
ans
Ufer
rollen,
wenn
man
die
Zehen
ins
Wasser
hält
und
der
Vollmond
gerade
über
die
Silhouette des Hügels steigt.
So
lässt
sich's
aushalten,
dachte
ich
und
biss
ein
Stück
von
meinem
Pfefferoni
ab.
Ich
mag
diese
leicht
säuerliche
Schärfe,
dazu
der
Rauchgeschmack,
und
dachte
gerade,
dass
es
mir
nun
wirklich
an
nichts
mangelte,
als
eine
dunkle
Gestalt auf mich zukam.
Es war Nikos, der Grieche vom Nachbarzelt.
Fröhlich
grinsend
überreichte
er
mir
ein
Souflakispießchen.
"Ich
hab
gesehen,
du
hast
nichts",
erklärte
er.
"Wenn
du
mehr willst, komm zu uns herüber."
Damit
drehte
er
sich
um
und
verschwand
aus
dem
Lichtkreis
meines Feuerchens.
Natürlich
habe
ich
den
Spieß
gegessen.
Er
hat
hervorragend
geschmeckt.
Es war schließlich höhere Gewalt!
Peneder Josef
Vegetarisch grillen
In
der
Taverne
war
es
wieder
einmal
spät
geworden.
Zu
dritt
machten
wir,
meine
Freundin,
ihre
Tochter
und
ich,
uns
auf
den
Weg
über
die
staubige
nächtliche
Dorfstraße
zum
Strand,
wo
sich
unser
Zelt
befand.
Auch
Stany,
unser
schwarzer,
mittelgroßer
griechischer
Findlingshund,
hatte
sich
müde
erhoben,
geschüttelt,
gestreckt,
gegähnt
und
trottete jetzt neben uns her.
Es
war
eine
warme,
finstere
Nacht.
Auch
die
wenigen
Häuser
an
der
Straße
waren
dunkel.
Alle
30
Meter
zirka
brannte
eine
Lampe.
Es
war
recht
still
und
friedlich,
bis
wir
um
eine
leichte
Kurve
kamen.
Im
Lichtschein
der
nächsten
Lampe
erkannten
wir
ein
Rudel
Hunde,
die
bei
den
Mülltonnen
nach
Fressbarem
suchten.
Es
waren
mindestens
fünf
oder
sechs.
Einige
wirkten
auch
auf
die
Entfernung
ziemlich kräftig.
Da
wir
dort
auf
jeden
Fall
vorbei
mussten,
gingen
wir
entschlossen
weiter.
Auch
Stany
war
zuerst
etwas
langsamer
geworden,
lief
aber
jetzt
dicht
bei
uns.
Ich
hatte
einen
etwas
krummen
Stock
vom
Wegrand
aufgehoben,
nur
so
für
alle
Fälle.
Als
wir
näher
kamen,
wichen
die
fremden
Hunde
zurück,
umringten
uns,
zögerlich
zuerst,
dann
immer
dreister,
wobei
sie sich offensichtlich am meisten für Stany interessierten.
Schließlich
waren
wir
von
Hunden
umgeben,
die
durcheinander
liefen,
aber
offensichtlich
mehr
neugierig
als
angriffslustig
waren.
Auch
Stany
lief
hin
und
her.
Wenn
ihm
einer zu nahe kam, knurrte er, und der andere wich zurück.
In
diesem
Augenblick
näherte
sich
ein
Auto.
Es
war
ein
dunkelroter,
gepflegter
Viertürer,
in
dem
ein
Mann
saß.
Er
erkannte
unsere
Notlage,
drei
Leute,
von
wilden
Hunden
umringt.
Er
hielt
an,
beugte
sich
herüber
und
öffnete
die
Beifahrertür.
Bevor
wir
noch
reagieren
konnten,
löste
sich
aus
dem
Hunderudel
ein
schwarzer,
mittelgroßer
griechischer
Findlingshund
namens
Stany,
sprang
mit
einem
gewaltigen
Satz
in
den
Wagen,
am
erschrockenen
Fahrer
vorbei
nach
hinten,
wo
in
einem
Kindersitz
ein
Baby
schlief,
und
schon
saß
er
daneben
auf
der
Rückbank
und
blickte
uns
triumphierend an.
Nun
stiegen
auch
wir
in
den
Wagen,
bedankten
uns
und
erklärten
dem
erleichterten
Fahrer,
dass
es
sich
bei
dem
frechen
Anhalter
um
unseren
braven
Familienhund
Stany
handelte,
der
wohl
von
uns
allen
am
dankbarsten
war
für
die
unerwartete Hilfe.
Als
wir
oben
am
Hügel
ausstiegen,
um
zu
unserem
Strand
zu
gelangen,
schauten
wir
den
kleiner
werdenden
Rücklichtern
noch eine Weile nach. Ein netter Mensch.
Der würde wohl so schnell keine Anhalter mehr mitnehmen.
Peneder Josef
Der Anhalter